Freitag, 23. Januar 2009

On The Road

Der Gatte hat sich beklagt, ich hätte ihn mit meinem Gedicht als Deppen hingestellt.

Das möchte ich so nicht stehn lassen! Er ist kein Depp! Sonst hätte ich ihn nicht geheiratet!

Er war erst wieder besänftigt, als ich ihm erklärte, daß ich ja nur über meine Umwelt schreiben könne und er sei ja wohl meine Umwelt. Schließlich kann ich mir ja hier nix aus den Fingern saugen.

Gestern nun war ich mal wieder "aushäusig" unterwegs und kann daher auch mal wieder was von anderen Menschen berichten, die mir aufgefallen sind.

Stadtbahnfahren ist meistens langweilig. An manchen Tagen hat man allerdings das Gefühl, im falschen Film zu sein.

Da war Gestern zum Beispiel der dicke Mann, der sich zu mir setzte, vor sich hin murmelte, mit jemand telefonierte und etwas vom Sterbebett seiner Tochter sagte und schimpfte, weil die angerufene Person nicht kommen würde. Er schloß die Augen und legte den Kopf an die Scheibe. Kurz vor der nächsten Haltestelle fragte er mich, ob das jetzt der Wilhelmsplatz sei. Ich bejahte. Da meinte er, er habe jetzt seit 30 Stunden im Krankenhaus an dem Sterbebett seiner Tochter gesessen und seine Ex hätte es nicht mal nötig vorbei zu kommen. Er hätte nie Kinder haben wollen und sei trotzdem ein besserer Vater von fünf Kindern geworden als seine Ex. Das ist ja eigentlich nichts, was man irgendeinem wildfremden Menschen in der Stadtbahn erzählt aber manchmal habe ich das Gefühl ich animiere die Leute dazu, daß sie mir ihr Herz ausschütten. Vielleicht ist es aber auch nur so, daß der Spruch von meiner Mutter hier mal wieder greift: Wovon das Herz voll ist, läuft der Mund über.

Und dann war da noch der Jugendliche, der scheinbar selbstgespräche mit seiner Freundin führte obwohl die nicht anwesend war. Ich hasse diese Händies, die man sich nicht mal mehr ans Ohr halten muß um zu quatschen. Die Leute haben einen Stöpsel im Ohr und labern einfach vor sich hin und du hast das Gefühl, die quatschen mit sich selber. Und das auch noch viel zu laut, sodaß jeder drumherum mithören kann.

Ganz zum Schluß, der dicke Mann mit der kranken Tochter war grade ausgestiegen, nahm etwas mit einem sehr tuckigen Hüftschwung vor mir Platz. Etwas deshalb, weil ich es zurerst nicht richtig zuordnen konnte. Schmale Figur, schmales Gesicht, weibliche Frisur, gruselige Klamotten. Vollplastik Trainingshose, Spencer-Jäckchen mit tiefem Ausschnitt, schmuckbehangen. Rein von der Körpersprache und vom Aussehen her würde ich sagen, daß es ein Junge war, der sich auf Mädchen getrimmt hatte. Kann mir mal jemand sagen, warum ich eine affinität zu solchen Menschen empfinde? Ich mag exotische Menschen.

Socki

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